Sexuelle Vielfalt und Coming-out. Ein Ratgeber für Jugendliche
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Du warst längere Zeit nicht aktiv. Zu deiner eigenen Sicherheit beenden wir deshalb in Kürze die Sitzung. AbmeldenHast du schon mal vom Coming-out gehört? Wer sich outet, macht erstmals etwas öffentlich, das neu, ungewöhnlich oder manchmal sogar umstritten ist. Wenn es jedoch um die sexuelle Orientierung geht, dann hat das Coming-out eine besondere Bedeutung. Es meint hier einen Prozess, bei dem man sich der eigenen sexuellen Orientierung bewusst wird und sie auch gegenüber anderen Menschen, etwa in der Familie, gegenüber Eltern oder Freund*innen, äußert.
»Bevor ich mich geoutet habe, hatte ich das Gefühl, ein Geheimnis mit mir herumzutragen. Als ich dann mit meinen Eltern sprechen wollte, war ich total nervös. Aber ich habe mich getraut und habe es nie bereut. Ich fand es echt befreiend mich endlich zu outen.« Chiara, 18 Jahre
Das Coming-out ist ein wichtiger Prozess im Leben vieler schwuler, lesbischer, pan- und bisexueller sowie teils auch asexueller Menschen. Es besteht in der Regel aus zwei Abschnitten: Zuerst steht die innere Bewusstwerdung der eigenen sexuellen Orientierung, danach folgt deren Kommunikation nach außen, gegenüber anderen Menschen, zum Beispiel Eltern oder Freund*innen.
Beim inneren Coming-out setzt sich ein Mensch sehr stark mit seiner sexuellen Orientierung auseinander. Am Ende dieses Prozesses ist sich die Person der Tatsache bewusst, zu welchem Geschlecht oder zu welchen Geschlechtern sie sich hingezogen fühlt – emotional, romantisch und/oder sexuell. Bei jungen Menschen geschieht dies meist zwischen dem 14. und dem 17. Lebensjahr. Oft hat aber die Bewusstwerdung der eigenen sexuellen Orientierung auch schon Jahre vorher begonnen.
Beim äußeren Coming-out informiert man andere Menschen über die eigene sexuelle Orientierung. Einige verzichten ganz auf ein äußeres Coming-out, andere outen sich nur in bestimmten Gruppen, etwa in der Familie, und wieder andere gehen sehr offen im Alltag mit ihrer sexuellen Orientierung um. Das ist immer eine sehr persönliche Entscheidung! Und andere Menschen können hier zwar eine wertvolle Unterstützung sein, sie sollten ein Coming-out jedoch nicht einfordern oder sogar jemanden gegen den eigenen Willen outen.
Auch wenn du trans* oder nicht-binär* bist, ist das Coming-out für dich auch ein wichtiger Prozess der Identitätsfindung. Er läuft ähnlich ab wie beim Coming-out in Sachen sexueller Orientierung, aber geht für manche Menschen noch weiter, etwa wenn sie ihren Namen ändern oder sich auch körperlich an ihre Geschlechtsidentität angleichen.
Alle Menschen setzen sich mit ihrer sexuellen Orientierung auseinander. Man spürt irgendwann, wen man attraktiv findet und ob man sich etwa zu einem bestimmten Geschlecht hingezogen fühlt. Die eigenen sexuellen Empfindungen zu entdecken, sich der eigenen sexuellen Orientierung bewusst zu werden und die eigene Identität zu finden – das betrifft alle, auch heterosexuelle Menschen. Und auch das ist vielleicht nicht immer leicht! Dennoch: Ein Coming-out im eigentlichen Sinn haben Heterosexuelle in aller Regel nicht.
Ein Coming-out kann Monate oder sogar Jahre dauern. Und oft ist diese Zeit nicht einfach. Wahrscheinlich erinnert sich jeder Mensch, der dies durchlebt hat, an Selbstzweifel und Sorgen, an stundenlanges Grübeln über sich selbst und die eigene Sexualität. Doch auch diese Zeiten gehen vorbei!
Wenn du im Coming-out steckst, kann es helfen, von anderen jungen Menschen, die bereits Ähnliches durchlebt haben, zu lernen. So wirst du auch schnell erkennen: Du bist nicht der einzige Mensch, dem es so geht! Außerdem gibt es in deiner Nähe bestimmt auch eine Beratungsstelle oder vielleicht sogar eine Jugendgruppe für schwule, lesbische, bi- und pansexuelle sowie asexuelle Jugendliche. Hier wirst du sicherlich Unterstützung finden. Und auch die Telefon- und Onlineberatung von LIEBESLEBEN kann dir hier weiterhelfen.
Jedes Coming-out läuft anders ab. Es gibt aber ein paar Tipps, die dir bei deinem eigenen Coming-out helfen können:
»Die ganzen Vorurteile gegen Schwule haben mir zu schaffen gemacht. Ich hatte Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden, wenn ich mich oute. Ich hab deshalb erstmal nur mit meinen engsten Freunden gesprochen und mich so Stück für Stück vorgetestet. Das hat zwar lange gedauert, aber jetzt weiß ich, dass ich damals einfach dafür Zeit gebraucht habe. Und das war für mich so gut!« Maxi, 23 Jahre
Es kann durchaus sein, dass es dich verunsichert, wenn du feststellst, dass du dich etwa (auch) zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlst. Vom »Vater-Mutter-Kind«-Spielen im Kindergarten bis hin zur Sexualaufklärung – fast alles scheint auf Heterosexualität ausgerichtet zu sein. Dass sich jemand zum Beispiel (auch) zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt, wird manchmal leider gar nicht in Betracht gezogen. Und dann gibt es leider auch noch eine Menge Vorurteile rund um sexuelle Orientierungen, die sich hartnäckig halten. Hinzu kommt, dass die Reaktion anderer Menschen auf das Coming-out schwer abzuschätzen ist. Oft malt man sich dann die schlimmsten Dinge in der Fantasie aus – auch wenn das in der Realität gar nicht eintritt.
Aber das Coming-out ist nicht bloß eine schwierige, sondern auch eine wichtige Zeit! Die Auseinandersetzung mit dir selbst und deiner Sexualität hat spannende, befreiende und lustvolle Seiten. Sie zu entdecken, für dich selbst zu akzeptieren und mit anderen Menschen zu teilen, kann eine gute Erfahrung sein und dir für die Zukunft Mut machen. Und selbst wenn du in dieser Phase mal zweifelst und Unterstützung suchst – versuche, optimistisch zu sein! Genieß es, Neues über dich und über andere Menschen zu lernen! Rückblickend wirst du über diese Zeit vielleicht sogar ganz froh sein!
Wenn du dich deinen Eltern oder anderen nahestehenden Menschen anvertraust, dann beginnt auch für sie ein Prozess, der deinem eigenen Coming-out gar nicht so unähnlich ist. Auch sie benötigen nun Zeit, um sich mit der veränderten Situation auseinanderzusetzen.
Du kannst ihnen dabei helfen, indem du ihnen deine Bereitschaft signalisierst, offen über deine sexuelle Orientierung zu reden. Auch dabei gilt aber: Deine sexuelle Orientierung und dein Coming-out sind zuallererst für dich wichtig! Nur du bestimmst, was du tun möchtest und wie weit du dich anderen in diesem Prozess öffnest. Setz dich also nicht unnötig unter Druck!
Übrigens: LIEBESLEBEN hat auch Informationen für Eltern und andere Fürsorgepersonen, die ihnen helfen können, dein Coming-out zu verstehen und zu akzeptieren. Und auch die LIEBESLEBEN-Beratung unterstützt euch.
In der Zeitspanne, in der man sich outet, finden oft auch noch ganz andere Dinge statt – die ersten Flirts, die erste große Liebe und das berühmte erste Mal passieren oft zeitgleich. Und auch wenn du dir vielleicht Sorgen wegen deines Coming-out machst – sie sollten nicht alles andere in den Hintergrund drängen, weder die Spannung noch das Schöne, wenn man neue Erfahrungen sammelt und seine eigenen Wünsche in Sachen Sexualität kennenlernt. Egal, ob du geoutet bist oder nicht – genieße dein Liebesleben! Wenn du mit dir im Reinen bist und auch optimistisch sein kannst, fällt dir dein Coming-out dadurch vielleicht sogar leichter.