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Vielfalt in Religion und Glauben

Die Religionsfreiheit ist in Deutschland ein Grundrecht – wir alle dürfen unseren Glauben frei wählen und leben. Genauso ist es aber auch ein Grundrecht, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören und keinen Glauben zu haben. Aber ob man einen Glauben hat oder nicht – religiöse Haltungen und damit verbundene Werte spielen auch in den Medien, in der Politik und in der Gesellschaft eine Rolle. Verschiedene Ansichten von Glaube und Welt sind dabei gut für die Vielfalt und Lebendigkeit unserer Gemeinschaft – aber manchmal wird der Glaube auch als Vorwand genutzt, um das Leben und die Freiheiten anderer Menschen einzuschränken. Dagegen hilft, sich zu informieren – über die eigenen Rechte und wie Religion und Vielfalt zusammen gelebt werden können.

»Mir wurde ganz klar gesagt: Du kannst nicht gläubig sein und lesbisch. Als ob das irgendwer einfach so bestimmen könnte! Ich hab das nicht akzeptiert, aber es bleibt ein täglicher Kampf um Anerkennung.« Elif, 25 Jahre

Woran glauben Menschen?

Bei dem Wort Religion denken viele von uns gleich an eine der großen Glaubensgemeinschaften, der weltweit Milliarden von Menschen angehören – die größten sind Christentum, Islam und Hinduismus. Es gibt aber auch hunderte andere Religionen, Glaubensrichtungen und spirituelle Weltanschauungen.

Was viele dieser großen und kleinen Religionen gemeinsam haben, sind Regeln und bestimmte Verhaltensweisen, die ihre Gläubigen einhalten sollen. Es geht um Vorstellungen von dem, was richtig ist und was nicht. Und es sind nicht Götter oder Heilige, sondern Menschen, die versuchen, diese Vorstellungen und Regeln durchzusetzen und sie dabei auch immer wieder verändern und anpassen. Deshalb wird auch immer wieder darüber gestritten, wie diese Regeln überhaupt ausgelegt und angewendet werden sollen.

Gegensätzliche Meinungen sind auch innerhalb einer Religion nicht selten. Das zeigt sich etwa bei der Diskussion darüber, ob christliche Kirchen die gleichgeschlechtliche Ehe der Ehe von Frau und Mann gleichstellen sollten. Und gerade beim Thema Vielfalt, wenn es um sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten geht, finden in vielen Religionen große Diskussionen statt.

Eine junge Frau sitzt in einem Park und schaut nachdenklich in die Ferne.

Schwul und lesbisch, asexuell, bi- und pansexuell, nicht-binär*, trans* und inter* - wie stehen die Religionen dazu?

Die allermeisten Religionen haben sehr alte Texte, auf denen sie ihre Sicht auf Gottheiten und auf die Welt begründen und von denen sie ihre Regeln und Gebote ableiten. Diese Texte sind Jahrtausende alt und wurden immer wieder neu übersetzt und verändert. Und sie werden auch immer wieder neu ausgelegt, denn sie sind oft nicht sehr eindeutig und stammen aus einer Zeit, in der viele unserer aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen noch nicht zu erahnen waren.

Das gilt auch für Textstellen, in denen über Sexualität, sexuelle Orientierungen oder Geschlechter geschrieben wird. Früher wurden diese Texte meist so ausgelegt, dass etwa Homosexualität streng verboten war. Heute sind aber viele Fachleute der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Liebe und Sex in den alten Beschreibungen oft gar nicht gemeint waren – oder die Ablehnung nicht so streng ausgelegt werden sollte.

Außerdem gilt heute die Meinung, dass bei allen Religionen die Gebote zur Menschenwürde und Nächstenliebe als wichtiger anzusehen sind als die Ablehnung einzelner Verhaltensweisen. Andere Menschen sollen so behandelt werden, wie man auch selbst behandelt werden möchte – dieser Grundsatz findet sich in unterschiedlicher Form in den Schriften aller großen Weltreligionen.

»Ich habe mich als schwuler Mann nie so richtig akzeptiert gefühlt – in meiner Gemeinde, aber irgendwie auch von Gott. Aber durch die Presse habe ich erfahren, dass sich viele andere homo- und bisexuelle Gläubige für eine Veränderung einsetzen, das hat mir Hoffnung gegeben.« Lukas, 23 Jahre

Da es aber in keiner Glaubensgemeinschaft eine einheitliche Meinung gibt, steht es in Wirklichkeit leider oft nicht so gut um die Akzeptanz von unterschiedlichen sexuellen Orientierungen – bis heute lehnen noch viele Gläubige weltweit Homo-, Pan- und Bisexualität als normale sexuelle Orientierung ab; Asexualität wird oft gar nicht als eigenständige sexuelle Orientierung betrachtet. Und weil religiöse Vorschriften auch heute noch großen Einfluss auf Gesetze und Rechtssprechung haben, ist es in einigen Ländern auf der Welt sogar verboten, etwa offen homosexuell zu leben.

Und auch in Sachen Geschlechtsidentität ist es ähnlich: Über trans*, nicht-binär* oder inter* finden sich in den historischen Texten zwar fast gar keine Informationen – trotzdem lehnen viele Gläubige und auch Anführende von religiösen Bewegungen nicht-binäre*, trans* und inter* Menschen ab, weil sie nicht dem traditionellen Bild von vermeintlich »normalen« Geschlechtern entsprechen.

Zwei junge Frauen umarmen sich und blicken nachdenklich zur Seite.

Wie kann ich Vielfalt und Glaube gleichzeitig leben?

Wenn du als gläubiger Mensch schwul oder lesbisch, asexuell, bi- oder pansexuell, trans*, inter* oder nicht-binär* bist und deine Religion als Teil einer Glaubensgemeinschaft ausleben möchtest, kannst du leider schnell auf Ablehnung stoßen. Viele Gläubige, Kirchen und Gemeinschaften innerhalb der großen Weltreligionen lehnen sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten ab, die für sie nicht traditionellen und vermeintlich »normalen« Vorstellungen entsprechen. Dabei berufen sie sich oft auf heilige Schriften, deren Auslegung aber sehr umstritten ist.

Lass dir also nicht erzählen, dass deine Art zu leben irgendwie falsch sei! Suche Informationen darüber, wie deine Religion wirklich zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt steht. Dabei helfen dir etwa Texte von Fachleuten, die umstrittene Textstellen erklären und moderne Auslegungen anbieten.

»Glaube und Kirche sind nicht das Gleiche! Ich hatte es einfach satt, dass meine Anwesenheit nicht selbstverständlich ist und bin ausgetreten. Für mich braucht es keine Institution, um meinen Glauben zu leben.« Mara, 21 Jahre

Wenn du von anderen Gläubigen unter Druck gesetzt oder diskriminiert wirst, kann es helfen, nach anderen Gemeinschaften zu suchen. Auch innerhalb von Religionen gibt es sehr unterschiedliche Haltungen und vielleicht findest du eine Gemeinde oder eine Gruppe, in der sich Menschen deines Glaubens versammeln und die dich so akzeptieren, wie du bist. Manche Gläubige aus der LGBTIQ*-Community entscheiden sich auch, ihre Religion und ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität voneinander zu »trennen« – sie ignorieren die ablehnende Haltung ihrer Kirche oder Gemeinschaft und vertrauen auf ihren Glauben und die eigene Auslegung der heiligen Schriften. Es steht dir auch jederzeit frei, aus deiner Religion auszutreten – und trotzdem am Glauben festzuhalten, denn dafür braucht es keine organisierte Gemeinschaft.

Egal für welchen Weg du dich entscheidest – du musst ihn nicht allein gehen! Es gibt in jeder großen Religion auch Interessenverbände, die sich für Akzeptanz und Gleichstellung einsetzen. Dort findest du Informationen, Hilfe und Unterstützung.

Ein junger Mann schaut nachdenklich nach unten.

Was ist, wenn mich jemand verändern will?

Du kannst nicht beeinflussen, wen du liebst, worauf du stehst und zu welchem Geschlecht du dich zugehörig fühlst. Und auch niemand anderes kann das! Manche Religionsgemeinschaften bieten aber trotzdem sogenannte Konversionsbehandlungen an, die dich verändern sollen. Damit du mitmachst, setzten sie sich unter Druck und geben dir das Gefühl, »falsch« zu sein. Und dazu nutzen sie oft auch religiöse Argumente.

Solche Pseudo-Therapien sind aber nicht nur unnötig, sondern können sehr schlimme Auswirkungen haben. Deshalb sind sie in Deutschland auch fast immer verboten. Wenn dir also ein Angebot irgendwie nicht richtig vorkommt oder wenn man dir gar eine solche Pseudo-Therapie vermitteln möchte, dann nimm deine Zweifel ernst! Gehe besser erstmal auf Abstand und sprich mit Personen, die nicht mit dem Angebot in Verbindung stehen. Das können Freund*innen sein, aber zum Beispiel auch eine Lehrkraft, der du vertraust. Und auch die Telefon- und Onlineberatung von LIEBESLEBEN oder eine Beratungsstelle in deiner Nähe kann dir helfen. In akuten Situationen, zum Beispiel wenn dich jemand zu einer Behandlung zwingen will oder du schon in einer Behandlung bist, können dir auch die Polizei oder das Jugendamt helfen.

LIEBESLEBEN unterstützt auch beim Thema Religion

Auch LIEBESLEBEN leistet einen wichtigen Beitrag, um beim Thema Religion und Vielfalt zu unterstützen - zum Beispiel:

Aber LIEBESLEBEN unterstützt nicht nur dich, sondern auch andere Menschen in deinem Umfeld, zum Beispiel durch Informationen für Eltern. Und wir haben auch viele Materialien für Fachkräfte, die ihre Arbeit im Themenfeld Vielfalt unterstützen können, etwa durch eine Factsheet-Reihe, bei der auch Religionen Thema sind.