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Vielfalt in Familien

Die typische Familie gibt es nicht – das merken wir spätestens im Kindergarten, wenn wir andere Kinder und deren Familien kennenlernen. Sie haben verschieden viele Mitglieder, die sich näher oder weniger nah stehen, sie gehen unterschiedlich miteinander um und haben gemeinsame Regeln, die oft gar nicht ausgesprochen werden. Und wie immer, wenn Menschen zusammenkommen, spielen Fragen nach der Zugehörigkeit, nach gemeinsamen Vorstellungen und Werten, aber auch nach Akzeptanz und Respekt füreinander eine große Rolle. Sicher ist: Familien sind verschieden, bunt und vielfältig.

»Meine Mutter ist mit einer Frau zusammen. Das war mir früher manchmal peinlich. Mittlerweile finde ich es irgendwie ganz cool, dass meine Familie ein bisschen anders ist als andere.« Sina, 24 Jahre

Was heißt eigentlich Familie?

Das ist eine schwierige Frage, denn es gibt keine eindeutige Definition davon, was eine Familie ausmacht und es gibt sehr unterschiedliche Vorstellungen davon. Ein traditionelles Verständnis einer Familie geht von Mutter, Vater und Kindern aus – dann kommen Großeltern dazu, manchmal Haustiere, eine besonders nahestehende Tante, Cousinen und Cousins... Und schon wird es unübersichtlich – wer gehört denn jetzt dazu? Was passiert bei einer Trennung? Was, wenn jemand sich abwendet?

In der Realität gibt es neben der traditionellen Familie sehr viele sehr unterschiedliche Familienmodelle: von gleichgeschlechtlichen Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit und ohne Kinder, über alleinerziehende Personen und Pflegefamilien bis zu Elternschaften mit mehr als zwei Personen und Patchworkfamilien, in denen Paare mit Kindern aus einer anderen Partnerschaft zusammenleben. Manche Menschen stehen ihrer ursprünglichen Familie sehr nahe, andere sehen sich fast nie und einige finden in sehr engen Freundschaften eine Wahlfamilie, die auch ohne Verwandtschaft Verantwortung für- und miteinander teilt. Und Familie heißt auch nicht unbedingt, dass man heiratet oder Kinder bekommt. Doch egal, wie sich eine Familie zusammensetzt – sie ist im Idealfall ein Ort von Sicherheit, Geborgenheit und Akzeptanz.

Was erwartet meine Familie von mir?

In jeder Familie gibt es Erwartungen – insbesondere an die jüngere Generation. Und viele dieser Erwartungen entstehen schon, bevor du überhaupt auf der Welt bist. Das können gut gemeinte Erwartungen und Wünsche sein, wie etwa, dass es dir gut geht und du glücklich bist. Oder dass du dein Leben so gestaltest, wie du es möchtest. Solche Erwartungen fühlen sich oft gut an und stärken das Selbstbewusstsein. Sie zeigen dir, dass du wichtig bist und unterstützt wirst.

Familie als Absicherung?

Als Menschen angefangen haben, in Familiensystemen zu leben, ging es hauptsächlich darum, dass die Mitglieder füreinander sorgen. Das war praktisch – etwa auch für den Staat, der dann schwächere Mitglieder nicht unterstützen musste, es gab ja schließlich die Familie. Und noch heute zahlen die meisten verheirateten Paare aus diesem Grund weniger Steuern als Unverheiratete und haben rechtliche sowie finanzielle Vorteile. Dass seit 2017 in Deutschland auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen, ist auch deshalb ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

Leider können Erwartungen aber auch Druck machen und zur Belastung werden. Wenn deine Familie etwa genaue Vorstellungen davon hat, wie du aussehen, leben oder lieben sollst, kann es passieren, dass du dich nicht akzeptiert fühlst, so wie du bist. Dann kann die Familie ein Ort werden, an dem du zweifelst und nicht mehr du selbst sein kannst. Und vielleicht stellst du deinen eigenen Lebensstil dann in Frage und denkst sogar, dass du dich verändern müsstest.

Je mehr sich dein Lebensstil von dem deiner Familie unterscheidet, desto mehr kann er sie irritieren und überfordern. Aber egal zu welchem Geschlecht du dich zugehörig fühlst, wen du liebst oder wie du dich kleidest – es ist genau richtig so, wie du es willst! Die Vorstellungen und Werte deiner Familie sind nicht unbedingt deine eigenen. Das zu akzeptieren, fällt manchen Menschen – und manchen (Groß-)Eltern – schwerer als anderen. Und trotzdem ist es für dich, dein Wohlbefinden und deine Gesundheit wichtig, dass du dich selbst akzeptierst und für dich einstehst.

»In unserer Familie hat lange niemand über Gefühle gesprochen. Das war einfach so. Ich habe dann irgendwann angefangen, immer mehr von mir zu erzählen. Was mir wichtig ist, was mir Angst macht, was ich mir wünsche. Das hat voll viel verändert und wir sprechen heute viel ehrlicher und offener miteinander.« Chris, 21 Jahre

Was kann ich tun, damit meine Familie mich akzeptiert?

Vielleicht hilft es dir, deine Familie als Mini-Gesellschaft zu betrachten. Hier gibt es Vorstellungen, Werte, Regeln und Normen, auf die man sich irgendwie und irgendwann geeinigt hat. Es wird ein bestimmter Umgang miteinander gepflegt und es gibt verschiedene Aufgaben und Rollen. Vielleicht ist die Rollenverteilung in deiner Familie eher traditionell – und das schon seit langer Zeit. Und vielleicht gab es auch schon immer die Eine oder den Anderen, die nicht in diese Muster gepasst haben...

Wie eine Gesellschaft können auch Familien sich verändern und offener werden, dazulernen und neue Erfahrungen machen. Dazu braucht es Zeit und Mut, Vertrauen und ehrliche Gespräche. Und auch Geduld. Aber was Familien besonders macht, ist, dass sie viel aushalten und trotz Schwierigkeiten und Belastungen weiter bestehen bleiben können.

Also hab Mut und sprich mit deiner Familie über deine Wünsche für dein Leben. Das müssen nicht alle auf einmal sein - such dir vielleicht erstmal nur eine Person, der du dich anvertrauen möchtest. So kann für euch langsam ein Prozess beginnen, der mit der Zeit immer mehr Veränderungen ermöglichen kann und euch neue Chancen für offene und ehrliche Gespräche bietet.

Es ist ein großer Schritt, deiner Familie zu zeigen, dass du bereit bist, offen über dich, über deine sexuelle Orientierung oder deine Geschlechtsidentität zu sprechen. Du musst ihn aber nicht alleine gehen - bei der Telefon- und Onlineberatung von LIEBESLEBEN findest du Angebote für Jugendliche. Und auch Beratungsstellen, an die du dich mit all deinen Fragen und Bedenken wenden kannst, helfen dir weiter.