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Inter* und Intergeschlechtlichkeit

Geschlecht ist vielfältig. Und das gilt sogar in der Biologie und in der Medizin. Denn auch dort ist es nicht immer möglich, Menschen einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen. Inter* Menschen sind aufgrund ihrer körperlichen Merkmale, ihrer Anatomie, ihrer Genetik, ihrer Chromosomen oder auch aufgrund ihrer Hormone »zwischen« den Geschlechtern. Und auch das ist völlig normal, denn Intergeschlechtlichkeit, früher auch »Intersexualität« genannt, ist eine ganz natürliche Variation – nicht nur medizinisch, sondern auch persönlich und gesellschaftlich.

Inter* Menschen können auch cis* oder trans* sein

Die Geschlechtsidentität bestimmt sich nicht aufgrund der körperlichen Merkmale, es geht vielmehr um das persönliche Erleben und Empfinden. Intergeschlechtlichkeit ist jedoch zunächst eine medizinische Beschreibung – also eine, die auf das von außen zugeschriebene Geschlecht verweist. Deshalb können inter* Menschen durchaus auch cis* oder trans* sein – je nachdem, ob die eigene Geschlechtsidentität der medizinischen Beschreibung als intergeschlechtlich entspricht oder nicht. Da inter* Menschen aufgrund ihrer Außenwahrnehmung oft einen ganz eigenen Bezug zu Geschlechtlichkeit haben und dabei verschiedene Dinge – etwa geschlechtszuweisenden Maßnahmen – eine Rolle spielen, wird der Begriff inter* bei LIEBESLEBEN aber als eigenständige Beschreibung verwendet.

Von Formularen und Realitäten – wie es ist, inter* zu sein…

Das kennst du auch – du meldest dich irgendwo an oder füllst ein Formular aus und noch bevor du nach deinem Namen gefragt wird, musst du eine Anrede wählen. Dabei kannst du dein Häkchen aber nur bei »Frau« oder bei »Herr« machen. Solche Regeln sind für vielen Menschen kein Problem. Aber was ist, wenn du dazwischen liegst, wenn du inter* bist? Beides anzukreuzen geht oft ebenso wenig wie die Anrede einfach offen zu lassen. Du musst dich also festlegen – auch wenn das nicht der Realität entspricht, denn inter* Menschen sind eben nicht nur Mann oder Frau. Formulare und Alltagssituationen können zu Herausforderungen werden, wenn sie nur zwei Geschlechteroptionen vorsehen. Intergeschlechtliche Personen fühlen sich dann oft nicht repräsentiert und erleben Diskriminierung.

Was bedeutet inter*?

Inter* Personen haben körperliche Merkmale, die nicht eindeutig als männlich oder weiblich bestimmt werden können oder die gleichzeitig typisch für beide Geschlechter sind. Das kann zum Beispiel die Anatomie betreffen, aber auch genetische Merkmale oder Hormone.

Viel wichtiger als die Biologie sind aber die gesellschaftlichen Umstände. Denn nicht nur bei Formularen werden inter* Menschen oft übergangen. Auch andere Dinge im alltäglichen Leben verlangen, sich einem von nur zwei Geschlechtern zuzuordnen, etwa Toiletten und Umkleiden. Dass es Menschen gibt, die weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich sind, wird hier kaum berücksichtigt. Und weil Intergeschlechtlichkeit (medizinisch oft immer noch als »Intersexualität« bezeichnet) lange fälschlicherweise als Krankheit galt, haben inter* Menschen leider oft auch mit den Folgen von unnötigen medizinischen Eingriffen zu kämpfen, wie zum Beispiel mit geschlechtszuweisenden Operationen in der Kindheit, bei denen die Merkmale des einen oder anderen Geschlechts entfernt werden.

»Seit öffentlich über das sogenannte dritte Geschlecht »divers« diskutiert wurde, fühle ich mich zum ersten Mal richtig wahrgenommen. Es muss aber noch viel passieren, damit ich mich nicht mehr ständig erklären muss.« Sofie, 20 Jahre

Mittlerweile wissen wir aber, dass inter* Menschen keinesfalls »krank« sind und auch nicht behandelt werden müssen. Geschlecht ist nun mal vielfältig – auch in der Medizin. Und so manch anderes hat sich auch schon verändert, etwa wenn es um Geburtsurkunden oder andere Papiere geht. Hier kann man mittlerweile die dritte Option »divers« eintragen lassen. Auch sogenannte Konversionsbehandlungen, die die Geschlechtsidentität – unnötigerweise – ändern oder unterdrücken wollen und sehr schädliche Wirkungen haben, sind in Deutschland in vielen Fällen, etwa bei Jugendlichen, verboten. Und letztlich ist nur dein eigenes Empfinden wichtig! Hör also auf dich selbst und tu das, was sich für dich gut anfühlt.

Geschlechtszuweisende Maßnahmen

Früher wurden inter* Menschen oft schon bei der Geburt einem Geschlecht zugewiesen, häufig ohne, dass die Eltern über die Intergeschlechtlichkeit ihres Kindes informiert wurden. Oft erfolgten dann auch sogenannte geschlechtszuweisende Maßnahmen, bei denen die anatomischen Geschlechtsmerkmale, etwa die Geschlechtsorgane, auf ein Geschlecht festgelegt wurden. Dabei besteht in der Regel keine medizinische Notwendigkeit. Meistens müssen die betroffenen Menschen nach solchen Eingriffen ihr Leben lang hormonelle Behandlungen durchführen und sich eventuell sogar weiteren Operationen an den Genitalien unterziehen. Außerdem fühlen sie sich vielleicht beiden Geschlechtern zugehörig oder dem Geschlecht, das ihnen entfernt wurde.

Seit kurzer Zeit hat sich die Situation jedoch verbessert, sodass inter* Kinder besser geschützt sind. Eltern müssen nun zum Beispiel umfangreich über geschlechtszuweisende Operationen und ihre gesundheitlichen Risiken informiert werden. Und man kann in der Geburtsurkunde das Geschlecht »divers« eingetragen oder den Eintrag offen lassen.

Manchmal stellt sich auch erst in der Pubertät oder sogar noch später heraus, dass Menschen inter* sind, zum Beispiel wenn weder Bartwuchs noch Brüste entstehen. Auch in solchen Fällen können geschlechtszuweisende Maßnahmen gewählt werden, etwa durch die Einnahme von Hormonen – aber niemand wird dazu gezwungen. Wenn du glaubst, inter* zu sein oder es bereits weißt, dann lass dich am besten von spezialisierten Ärzt*innen dazu informieren. Und wende dich im Zweifel auch an eine Beratungsstelle. So erhältst du alle wichtigen Informationen für deine Selbstbestimmung und Identität. Die Telefon- und Onlineberatung von LIEBESLEBEN kann dir dabei auch eine Hilfestellung sein.

Hier findest du passende Beratungsstellen
»Meine Eltern haben mich einfach als Jungen erzogen. Heute weiß ich, dass ich weder Junge noch Mädchen bin und lasse das auch andere wissen. Die Entscheidung darüber, wer ich bin, gehört jetzt mir allein.« Kolja, 22 Jahre

Ist inter* anders als andere Geschlechter?

Nein! Inter* Menschen leben und lieben genauso wie jeder andere Mensch auch. Sie können flirten, Beziehungen führen und ihre Sexualität ausleben. Und biologische Eigenheiten haben wir wohl auch alle! Das muss dir nicht unangenehm sein – ganz im Gegenteil, die vielen Unterschiede machen das Liebesleben erst so interessant.

Wenn du selbst zwischen verschiedenen Geschlechtern lebst, heißt das nicht, dass du dich irgendwie verstecken oder zurückhalten musst. Genieße es, Erfahrungen zu sammeln und Spaß zu haben mit den Menschen, zu denen du dich hingezogen fühlst. Lasse dich nicht von Vorurteilen oder Erwartungen unter Druck setzen! Es kommt immer ganz individuell auf dich als Menschen an. Das Geschlecht hat damit nichts zu tun. Sprecht einfach ganz offen über eure individuellen Besonderheiten.

Häufige Fragen und Antworten zu inter*

Inter* oder intergeschlechtlich ist eine Bezeichnung für eine Person, deren genetische, anatomische und/oder hormonelle Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig als männlich oder weiblich sind. Während früher auch oft von Intersexualität gesprochen wurde, ist heute auch die Bezeichnung Varianten der Geschlechtsentwicklung üblich.

Es gibt keine zuverlässigen Zahlen zur Anzahl intergeschlechtlicher Personen in Deutschland. Schätzungen, wie vom Bundesverfassungsgericht, gehen von bis zu 160.000 inter* Personen in Deutschland aus. Die Schätzungen variieren je nach Definition von Intergeschlechtlichkeit, zumal Intergeschlechtlichkeit auch nicht in jedem Fall festgestellt oder kommuniziert wird, selbst wenn sie vorliegt.

Intergeschlechtlichkeit gehört zur geschlechtlichen Vielfalt und ist völlig normal! Dies wird auch medizinisch anerkannt – als eine natürliche Variation von Geschlecht. In der Entwicklung und Ausprägung können dabei ganz verschiedene chromosomale, genetische oder hormonelle Faktoren beeinflussend sein.

Auch wenn Intergeschlechtlichkeit ganz natürlich ist, stehen inter* Menschen oft vor besonderen Herausforderungen. Mitunter sind sie mit medizinischen Eingriffen zur »Normalisierung« ihrer körperlichen Merkmale konfrontiert, ohne dass eine medizinische Notwendigkeit besteht. Diese Eingriffe erfolgen oft schon im Säuglings- oder Kindesalter, also ohne eigene Zustimmung der inter* Person selbst, und können traumatisch sein. Außerdem erleben inter* Menschen auch darüber hinaus Diskriminierung, Stigmatisierung und mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz.

Intergeschlechtlichen Menschen sollte mit Respekt und Einfühlungsvermögen begegnet werden. Sie haben wie alle anderen ein Recht auf Selbstbestimmung – auch in Bezug auf ihre medizinische Versorgung. Informationen und Aufklärung können helfen, das Verständnis zu fördern und Diskriminierung zu verringern. Professionelle Unterstützung durch Inter*-Organisationen, aber etwa auch medizinische Fachkräfte sind ebenfalls wichtig, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.