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Identitätsfindung und Geschlecht

Viele Menschen wachsen in das Geschlecht, das ihnen von außen gegeben wird, hinein und identifizieren sich damit. Und manchmal ist das auch nicht der Fall. Denn wenn du feststellst, dass dir von außen so gar nicht das Geschlecht zugeordnet wird, das dir entspricht, dann kann das durchaus kompliziert sein. Du durchläufst dann einen Prozess, der manchmal auch als Coming-out bezeichnet wird. Gerade für trans*Menschen hat der Prozess der Identitätsfindung daher oft eine ganz besondere Bedeutung. Aber es ist auch für alle anderen eine Herausforderung, Geschlecht zu leben, sich mit den Erwartungen anderer auseinanderzusetzen und seinen eigenen Umgang damit zu finden.

Wie finde ich heraus, wer ich eigentlich bin?

Zu wissen, wer du bist, was dir wichtig ist und wie du gern sein möchtest – das kann ganz schön kompliziert sein. Und dabei spielt auch das Geschlecht eine Rolle. Denn einiges wird danach beurteilt. Viele Menschen stellen mit der Geschlechtszugehörigkeit etwa bestimmte Erwartungen an dein Verhalten, dein Aussehen und deinen Charakter. Es gibt Vorurteile gegenüber bestimmten Geschlechtern. Und allgemeiner noch gibt es gesellschaftliche Vorstellungen davon, was es heißt, einem bestimmten Geschlecht zugehörig zu sein. Doch das muss für dich ganz persönlich keine Rolle spielen! Denn dein Geschlecht hat keinen Einfluss darauf, was du kannst, was du darfst und was du tun sollst. Ganz einfach: Du entscheidest, was du möchtest und was nicht.

Inter*Menschen können auch cis* oder trans* sein

Die Geschlechtsidentität bestimmt sich nicht aufgrund der körperlichen Merkmale, es geht vielmehr um das persönliche Erleben und Empfinden. Bei Intergeschlechtlichkeit handelt es sich jedoch zunächst um eine medizinische Beschreibung – also eine, die auf das von außen zugeschriebene Geschlecht verweist. Deshalb können inter*Menschen durchaus auch cis* oder trans* sein – je nachdem, ob die eigene Geschlechtsidentität der Außenwahrnehmung als inter* entspricht oder nicht. Und von daher sind im Hinblick auf die Identitätsfindung hier natürlich auch inter*Menschen angesprochen!

Sich mit den Erwartungen von außen auseinanderzusetzen und den für sich passenden Umgang damit zu finden, ist für alle Menschen ein wichtiger Prozess. Dabei lernen sie, sich selbst so anzunehmen, wie sie sind – auch wenn dabei die Erwartungen anderer vielleicht nicht erfüllt werden. Denn egal, was andere vielleicht von dir erwarten – in Sachen Geschlecht bestimmst du allein, was für dich richtig ist.

Gerade für trans*Menschen ist dieser Prozess der Identitätsfindung oft komplizierter. Denn wenn dir von außen ein Geschlecht zugeordnet wird, das nicht dem entspricht, wie du dich siehst, kann das bei anderen auf Unverständnis stoßen. Du durchläufst dann einen Prozess, der manchmal auch als Coming-out bezeichnet wird. Aber auch als cis*Mensch musst du dich keinesfalls den gesellschaftlichen Vorstellungen beugen. Mach dir deshalb klar: Du bist so, wie du bist. Sei so, wie du dich fühlst, und mache das, was dir gefällt.

»Meine Familie hat viel Zeit gebraucht, um mich anzunehmen, wie ich bin. Aber jetzt sagt meine Mama, sie hat keine Tochter verloren, sondern einen Sohn dazugewonnen.« Mattis, 20 Jahre

Coming-out als trans* - Worum geht es da?

Ähnlich wie etwa bei einem Coming-out als schwul oder lesbisch, pan- oder bisexuell verläuft auch die Identitätsfindung in Sachen Geschlecht in zwei Abschnitten: der inneren Bewusstwerdung der eigenen Geschlechtsidentität und deren Kommunikation nach außen, gegenüber anderen Menschen.

Bei der inneren Bewusstwerdung setzt sich ein Mensch sehr stark mit seiner Geschlechtsidentität auseinander. Und das kann auch schon mal verunsichern – gerade wenn man feststellt, dass sich andere in ihrer Wahrnehmung irren und man sich eigentlich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlt. Doch das ist keineswegs schlimm; es kann auch erleichtern, denn am Ende weiß man genau, wer man ist und wie man auch von anderen wahrgenommen werden möchte. Bei jungen Menschen geschieht das heute durchschnittlich zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr, oft hat der Prozess aber auch schon Jahre vorher begonnen.

Wenn du für dich feststellst, dass du trans* bist, dann möchtest du dein Geschlecht bestimmt auch im Alltag leben und nach außen so wahrgenommen werden, wie du dich im Inneren fühlst. Was das dann genau bedeutet und welche Schritte daraus folgen, ist für jeden trans*Mensch anders. Manche ändern ihren Vornamen, das Pronomen (er, sie, er*sie, es oder ganz anders), ihren Personenstand, nehmen Hormone und lassen sich auch körperlich an ihre  Geschlechtsidentität angleichen. Andere entscheiden sich beispielsweise dazu, nur ihren Vornamen zu ändern.

Doch ganz gleich, zu welchen Veränderungen du dich entscheidest – es gibt kein Richtig und kein Falsch, solange du dich wohl fühlst. Und lass dich dabei auch nicht von vermeintlich seriösen Angeboten verunsichern, die dich »umpolen« oder »normal« machen wollen. Diese sogenannten Konversionsbehandlungen sind in Deutschland in vielen Fällen, etwa bei Jugendlichen, verboten und können sehr schädlich sein! Wende dich besser an eine passende und qualifizierte Beratungsstelle, die dich in deiner Identitätsfindung als trans* unterstützt – dort kann man dir weiterhelfen, gerade auch wenn es um rechtliche oder medizinische Fragen geht. Die Telefon- und Onlineberatung von LIEBESLEBEN kann dir dabei auch eine Hilfestellung sein.

Hier findest du passende Beratungsstellen

Tipps für ein Coming-out als trans*

Auch wenn es immer etwas anders ist – sich anderen gegenüber als trans* zu offenbaren, kostet Überwindung. Hier ein paar Tipps, die dir helfen können:

  • Mach dich schlau – auch in rechtlichen und medizinischen Angelegenheiten. Denn bestimmt wird dein Gegenüber Fragen dazu haben und du kannst sie dann sicher beantwortet. Das gibt dir und anderen Menschen Zuversicht.
  • Gute Erfahrungen geben Rückenwind: Sprich am besten zuerst mit einem Menschen, der mit Sicherheit positiv reagiert.
  • Vielleicht dauert es eine Weile, bis andere Menschen dich verstehen und in deiner Geschlechtsidentität akzeptieren können. Gib ihnen etwas Zeit!
  • Überlege dir vorher schon mal, was du sagen möchtest und was nicht. Dadurch wirst du weniger nervös sein und wirkst selbstsicher.
  • Wähle den Ort und den Zeitpunkt bewusst aus – am besten so, dass sich alle Beteiligten auch mal zurückzuziehen und alles in Ruhe überdenken können.

Wie reagieren meine Mitmenschen?

Im Unterschied zum Coming-out als schwul, lesbisch, bi- oder pansexuell, ist die Identitätsfindung in Sachen Geschlecht für trans*Menschen oft mit größeren Konflikten verbunden. Denn anders als bei einem Coming-out zur sexuellen Orientierung, wo andere Menschen die »Neuigkeit« manchmal einfach ignorieren und sich erst mit der Zeit daran gewöhnen, ist das Thema für trans*Menschen – und deren Umfeld – meist dauerhaft präsent und oft auch deutlich sichtbar. Viele wählen einen neuen Namen, nutzen ein anderes Pronomen und verändern manchmal auch ihr Äußeres. Daran stoßen sich einige – gerade wenn die Veränderung schnell geht. Doch das sollte dich nicht davon abhalten! Konzentriere dich erstmal auf die Menschen, denen du voll und ganz vertraust!

Wie läuft eine Geschlechtsangleichung ab?

Unter Geschlechtsangleichung, auch Transition genannt, versteht man die Angleichung von trans*Personen an ihre tatsächliche Geschlechtsidentität – diese wird nach außen sichtbar gemacht. In der Regel handelt es sich dabei um einen jahrelangen Prozess. Besonders wichtig ist die soziale Veränderung, die im Prozess der Identitätsfindung beginnt. Es gibt darüber hinaus aber auch rechtliche Möglichkeiten, etwa die Änderung des Namens und des Personenstands. Manche trans*Menschen wählen auch medizinische Verfahren, die von kosmetischen Maßnahmen über Hormontherapien bis zu Operationen reichen können. In Deutschland bedarf es dazu einer Begutachtung durch Fachärztinnen oder Fachärzte. Sind die Gutachten positiv ausgefallen, übernehmen Krankenversicherungen in der Regel die Kosten für die Maßnahmen.

Dein Freundeskreis und deine Familie werden bestimmt Fragen haben. Vielleicht verstehen sie überhaupt nicht genau, was es mit dem trans*-Sein auf sich hat. Hilf ihnen dabei, indem du dich informierst und ihnen erklärst, was das für dich persönlich bedeutet. Es ist völlig okay, dass du dich am Anfang etwas unwohl dabei fühlst, denn das wird sicherlich nachlassen, wenn du mehr Menschen ins Vertrauen ziehst und offen darüber redest.

Leider ist für manche dein trans*-Sein vielleicht nicht so leicht zu akzeptieren. Sie brauchen mehr Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Hier hilft ein respektvoller Umgang miteinander – auch offen gestellte und ehrlich gemeinte Fragen können helfen. Persönliche Grenzen sollten dabei jedoch immer beachtet werden! Und wenn du zum Beispiel auf eine Frage nicht antworten möchtest, dann muss das respektiert werden.

Was bedeutet das Coming-out für meine Beziehung?

Wenn du feststellst, dass du trans* bist, und währenddessen eine Beziehung führst, kann das für deine Partnerin oder deinen Partner auch eine Art Coming-out nach sich ziehen. Denn dein Gegenüber lebt nun vielleicht nicht mehr in einer heterosexuellen, sondern in einer homosexuellen Beziehung, oder auch umgekehrt.

»Beim Daten spreche ich inzwischen ziemlich schnell an, dass ich trans bin. Das schafft total viel Intimität und jede positive Reaktion gibt mir Kraft.« Marie, 26 Jahre

Doch auch wenn andere Menschen das vielleicht auf eine bestimmte Art interpretieren – es bleibt ganz allein euch überlassen, ob ihr die Beziehung nun als hetero- oder als homosexuell betrachtet oder euch vielleicht auch überhaupt nicht festlegen wollt.

Auch beim Dating oder wenn du außerhalb einer Beziehung Sex hast, sind andere Menschen vielleicht verunsichert, wenn du dich als trans* outest. Hier hilft es, wenn ihr offen und respektvoll miteinander sprecht. Dabei könnt ihr auch gleich alles rund ums Thema Safer Sex klären.