Wie gehe ich mit einer Geschlechtsveränderung bei meinem inter* Kind um?
Früher wurde auch inter* Kindern nach der Geburt ein festes Geschlecht zugewiesen. Zudem führten Ärzt*innen dementsprechende geschlechtszuweisende Maßnahmen durch, – ohne, dass sie medizinisch erforderlich gewesen wären. Das hat lebenslange körperliche und psychische Folgen. Oft müssen Betroffene zum Beispiel ihr Leben lang Medikamente einnehmen. Und die Richtung, in die sich das inter* Kind entwickelt, ist bei der Geburt noch nicht absehbar. So können nicht zurückholbare Eingriffe ein Geschlecht bestimmt haben, dem sich das Kind nicht zugehörig fühlt.
Das ist seit 2021 anders – denn bevor geschlechtsverändernde Maßnahmen vorgenommen werden, muss das inter* Kind diesen zustimmen. Als Eltern haben Sie die Aufgabe, Ihr inter* Kind zu einer selbstbestimmten Entscheidung zu befähigen. Lassen Sie Ihr Kind sich entwickeln und reden Sie offen mit ihm darüber, was es sich für seine Identität und seinen Körper wünscht. Bleiben Sie dabei besonnen. Sie müssen keine vorschnellen Entscheidungen treffen. Die letzte Entscheidung liegt immer bei Ihrem Kind – diese sollten Sie akzeptieren. Setzen Sie sich für einen respektvollen Umgang mit Ihrem inter* Kind auch im medizinischen Umfeld ein.
Auch für Eltern beginnt nun ein Prozess
Müssen Sie sich mit dem Gedanken erst anfreunden, dass sich Ihr Kind (auch) zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt? Oder dass es sich mit einem anderen Geschlecht identifiziert, als Sie bisher angenommen haben? Dann geht es Ihnen so wie vielen anderen Eltern. Nur wenige reagieren mit völliger Ablehnung. Aber nicht alle können das auch sofort annehmen und akzeptieren. Am häufigsten liegen die Reaktionen irgendwo dazwischen. In dieser Situation sind verschiedene, auch widersprüchliche Gefühle daher verständlich. Es hilft jedoch, sich selbst klarzumachen: Ihr Kind hat sich durch sein Coming-out nicht verändert. Es ist und bleibt weiterhin Ihr Kind, das Sie liebt und das auch weiterhin von Ihnen geliebt werden möchte.
Versuchen Sie zu erkennen, was sich für Sie durch das Coming-out Ihres Kindes geändert hat. Eltern haben oft Vorstellungen und Wünsche über die Zukunft ihrer Kinder. Diese werden nun vielleicht infrage gestellt. Betrachten Sie, welche Gefühle bei Ihnen da sind und wie sie sich verändert haben. Hier kann auch ein offenes Gespräch mit Ihrem Kind oder auch mit anderen Ihnen nahestehenden Personen helfen. Achten Sie aber auf die persönlichen Grenzen Ihres Kindes, – ihm wird sicher wichtig sein, selbst entscheiden zu können, wer von seiner sexuellen Orientierung oder seiner Geschlechtsidentität erfahren soll und wer nicht. Und im Zweifel können Sie auch durch professionelle Hilfe unterstützt werden, um sich bei Ihren eigenen Gefühlen und Gedanken Klarheit zu verschaffen.
Auch das Umfeld Ihres Kindes hat Vorstellungen und Erwartungen. Oft sind sie stark von einem heteronormativen Weltbild geprägt. Damit ist die Annahme gemeint, dass Heterosexualität und Cis*-Geschlechtlichkeit die Norm bilden. Hier sind Sie doppelt gefordert. Denn Sie müssen versuchen, Ihr Kind glaubhaft gegen die Skepsis und manchmal sogar gegen das Unverständnis anderer zu schützen. Und zugleich hadern Sie vielleicht auch selbst noch mit dem Coming-out Ihres Kindes. Wenn Sie Zeit brauchen, um sich mit der neuen Situation auseinanderzusetzen, sprechen Sie mit Ihrem Kind offen darüber. Es wird Sie wahrscheinlich verstehen können. Und es wird Ihnen sicher auch Fragen beantworten. Vorausgesetzt, Sie zeigen echtes Interesse und Offenheit. Wenn Ihr Kind dazu nicht bereit ist, sollten Sie das respektieren und Informationsangebote nutzen oder sich an eine Beratungsstelle wenden. Auch die Beratung von LIEBESLEBEN unterstützt Sie gerne.