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Vielfalt leben – Wie unterstütze ich mein queeres Kind?

Gerade nach dem Coming-out heißt es für viele Familien zum Familienalltag zurückzufinden. Eltern homosexueller, bisexueller, asexueller, aber auch trans* und nicht-binärer* Kinder sehen sich dabei oft mit neuen Themen konfrontiert. Vielleicht stellen auch Sie sich Fragen, wie Sie Ihrem queeren Kind den Rücken stärken und es unterstützen können – im Familienkreis, in der Schule, in der Ausbildung oder beim Arztbesuch. Antworten darauf sowie Hilfestellungen bei Problemen wie Diskriminierung finden Sie hier.

Wenn wir den Begriff »Eltern« verwenden, sind alle angesprochen, die Erziehungsverantwortung übernehmen – zum Beispiel auch alleinerziehende Mütter und Väter, Patchwork-Eltern, Adoptiv- oder Pflegeeltern, Regenbogenfamilien, Großeltern, Tanten und Onkel und auch ältere Geschwister.

Hat mein Kind es durch sein Coming-out schwerer?

Wenn sich Ihr Kind als homo- oder bisexuell, pan- oder asexuell, als trans* oder nicht-binär* offenbart, stellen sich oft viele Fragen. Hinzu kann auch die Sorge kommen, dass es Ihr Kind durch sein Coming-out schwerer hat. Sie fürchten vielleicht, dass es zum Beispiel in der Schule oder in der Ausbildung von anderen Kindern gemobbt wird oder dass Lehrkräfte oder Arbeitskolleg*innen es benachteiligen.

Manche Sorgen sind dabei vollkommen unbegründet, denn die Gesellschaft scheint in den letzten Jahren offener geworden zu sein: Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass immer mehr Menschen auf Social Media oder in der E-Mail-Signatur ihre Pronomen angeben – egal ob sie queer sind oder nicht. Offen zur eigenen Sexualitätsexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität zu stehen, nimmt zu. Auch gesetzlich gibt es in Deutschland inzwischen die sogenannte Ehe für alle. »Divers« als weitere Geschlechtsoption ist beispielsweise in Stellenausschreibungen zum Teil verpflichtend. Konversionsbehandlungen sind in vielen Fällen, etwa bei Jugendlichen, verboten. Und das neue Selbstbestimmungsgesetz ist in Arbeit. All diese und viele weitere politische Entwicklungen verändern den Alltag von queeren Menschen positiv, selbst wenn es sie zunächst nur auf dem Papier gibt. Und zunehmend treten queere Menschen in Filmen und Serien auf oder sind Protagonist*innen in Büchern – beispielsweise mit homosexuellen Jugendlichen oder trans* Menschen als Hauptfiguren. Ihr Kind ist nicht allein, sondern Teil einer Community.

Das Bild zeigt eine Mutter, die mit ihrer Tochter auf dem Sofa sitzt und redet.

Dennoch braucht die Gesellschaft Zeit, diese Veränderungen zu verinnerlichen. Und auch politisch ist noch einiges zu tun. Daher erleben leider immer noch Menschen Diskriminierung. Mal beginnt sie mit beiläufigen, vielleicht unbewussten Bemerkungen, manchmal sind es Beleidigungen, Benachteiligungen oder Ausgrenzungen. Und es gibt auch offenen Hass oder sogar Angriffe. Diskriminierung kann ganz unterschiedlich aussehen.

Wie wir auf Diskriminierung reagieren, hängt immer davon ab, wo und wie sie uns begegnet. Sie und Ihr Kind müssen diskriminierende Erfahrungen nicht für sich behalten. Machen Sie auf Ihr Erlebnis aufmerksam und suchen Sie das Gespräch. Schützen Sie dabei immer auch Ihr Kind und sich selbst! Denn Gewalt oder offener Hass kann gefährlich werden. Holen Sie Hilfe und stellen Sie sich nicht allein dieser Herausforderung. Und denken Sie daran: Gewalt ist strafbar und die Täter*innen sollten erkennen, dass ihr Verhalten verfolgt wird.

Wie können wir das Coming-out in der Familie behandeln?

Die typische Familie gibt es nicht, – das fällt spätestens auf, wenn verschiedene Kinder mit ihren Familien sich kennenlernen. Neben der traditionellen Konstellation aus Mutter, Vater und Kind(ern) bestehen ganz viele sehr unterschiedliche Modelle: von gleichgeschlechtlichen Ehen und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften mit oder ohne Kinder, über alleinerziehende Personen und Pflegefamilien bis zu Elternschaften mit mehr als zwei Personen und Patchworkfamilien. Manche Menschen stehen ihrer ursprünglichen Familie sehr nahe. Andere sehen sich fast nie. Und einige finden in sehr engen Freundschaften eine Wahlfamilie, die auch ohne Verwandtschaft Verantwortung für- und miteinander teilt.

Doch in jeder Familie gibt es Wünsche und Erwartungen – besonders an die jüngere Generation. Sie können gut gemeint sein, – etwa der Wunsch, dass es dem Kind gut geht und dass es glücklich ist. Aber manchmal werden diese auch mit Erwartungen verbunden, etwa über Ausbildung und Beruf oder auch über die Art und Weise, wie das Kind sein Leben führen sollte. Das kann schnell Druck erzeugen und unnötige Belastungen entstehen lassen. Und auch Konflikte können damit verbunden sein. Denn die Wünsche und Werte innerhalb einer Familie sind nicht unbedingt für alle identisch. Das zu akzeptieren, fällt manchen Familienangehörigen schwerer als anderen – insbesondere wenn damit eigene Vorstellungen infrage gestellt werden. Für das Wohlbefinden und die Gesundheit Ihres Kindes ist es jedoch wichtig, dass es so sein kann, wie es ist – unabhängig von den Erwartungen anderer.

Gerade das Thema Coming-out kann innerhalb von Familien zu einem Konflikt werden. Machen Sie sich deshalb klar: Ihr Kind entscheidet, ob und wann es über seine sexuelle Orientierung oder seine Geschlechtsidentität mit weiteren Familienangehörigen wie Geschwistern, Großeltern, Tanten, Onkeln und weiter entfernten Angehörigen spricht. Auch wenn Sie sich vielleicht gerne mit Ihren Geschwistern und Eltern über Ihr Kind unterhalten würden: Nehmen Sie auf die Gefühle und Grenzen Ihres Kindes Rücksicht und überlassen Sie es ihm, davon zu erzählen, wenn es so weit ist. Ihr Kind muss Ihnen vertrauen können.

Halten Sie Ihr Kind im Gegenzug aber auch nicht davon ab, mit weiteren Personen und Verwandten zu sprechen, von denen Sie denken, dass sie beispielsweise aufgrund ihrer konservativen Werte ablehnend auf das Coming-out reagieren. Denn damit vermitteln Sie Ihrem Kind die Botschaft, dass es sein wahres Ich verstecken muss, um akzeptiert und geliebt zu werden. Das kann auch zu Selbstzweifeln führen, zu dem Gedanken, dass etwas nicht stimmt mit ihm.

Bestärken Sie Ihr Kind stattdessen und geben Sie ihm das Sicherheitsgefühl, dass es sich auf Sie verlassen kann – auch wenn Reaktionen nicht direkt positiv ausfallen. Vielleicht werden Sie aber auch selbst überrascht. Denn Familienmitglieder können sich verändern, offener werden, dazulernen und neue Erfahrungen machen. Dazu braucht es Zeit, Mut, Vertrauen und ehrliche Gespräche. Was Familien besonders macht: Sie können viel aushalten und trotz Schwierigkeiten und Belastungen weiter bestehen.

Das Bild zeigt eine Gruppe von Jugendlichen, die zusammen durch die Stadt geht.

Und übrigens: Auch wenn Sie als Eltern nicht die ersten sind, denen sich Ihr Kind anvertraut – das spricht nicht unbedingt gegen Ihre Erziehung und die Geborgenheit, die Sie Ihrem Kind vermitteln. Halten Sie sich zurück, Ihre Enttäuschung zu zeigen, und erkennen Sie an, dass Ihr Kind Sie in seinen weiteren Weg sicherlich einbezieht.

Verändern sich die Freundschaften meines Kindes durch das Coming-out?

Wenn sich Ihr Kind »outet«, dann tut es das in der Regel nicht nur bei Ihnen, sondern meist auch im Freundeskreis. Freund*innen, Cliquen und Peer Groups sind oft sogar die erste Anlaufstelle. Allerdings verläuft ein Coming-out auch hier nicht immer positiv. Ab und zu reagieren Gleichaltrige verunsichert, im schlimmsten Fall sogar ablehnend. Oder sie versuchen sogar die eigene Unsicherheit durch Beleidigungen zu überspielen. Zum Glück sind negative Erfahrungen mit dem Coming-out im Freundeskreis aber eher selten, meist reagieren Freund*innen aufgeschlossen und unterstützend.

Mit den Coming-out Ihres Kindes kommen auch neue Freund*innen dazu. Ihnen als Eltern kann es helfen, diese besser kennenzulernen und zu erleben, wie Ihr Kind gestützt wird. Sie zeigen damit Ihrem Kind, dass Sie sich für sein Leben interessieren. Und Sie sind auch selbst beruhigter, wenn Sie die Menschen kennen, die Ihr Kind begleiten. Bedenken Sie dabei aber auch: Es ist sehr unterschiedlich, wie weit Kinder ihre Eltern daran teilhaben lassen möchten. Erzeugen Sie deshalb keinen Druck, sondern signalisieren Sie Ihrem Kind Offenheit, auch dessen Freund*innen kennenzulernen.

Kann mein queeres Kind Probleme in der Schule oder in der Ausbildung bekommen?

Ihr Kind hat wie alle anderen Kinder ein Recht auf Bildung und darf nicht wegen seiner sexuellen Orientierung oder seiner Geschlechtsidentität diskriminiert werden. Insbesondere trans*, inter* und nicht-binäre* Kinder können es jedoch schwer haben, wenn Schule, Ausbildung und Lehrkräfte nicht vorbereitet sind. Sprechen Sie mit der Schule, wenn es notwendig ist, damit sich Ihr Kind respektiert und sicher fühlt. Neue praktische Lösungen sind gefragt. Beziehen Sie Ihr Kind dabei ein und sprechen Sie alle Aktionen mit ihm ab. Wie können solche Lösungen aussehen?

Das Bild zeigt eine Person, die in einem Bistro alleine an einem Tisch sitzt. Im Hintergrund sitzen verschiedene Personen zusammen an Tischen.

Auch ohne eine offizielle Namensänderung sollte der gewünschte Name und die richtige Ansprache gewählt und von allen verwendet werden. Das Schulpersonal muss das richtige Geschlecht kennen und bei geschlechtergetrennten Aktivitäten entsprechend beachten. Trans* Mädchen sollten die Mädchentoilette und -umkleide und trans* Jungen die Jungentoilette und -umkleide benutzen können, wenn sie es möchten. Wenn es keine Unisex-Lösungen gibt, sollten nicht-binäre* Kinder den Ort wählen dürfen, an dem sie sich am sichersten fühlen. Wenn vorhanden, können auch Einzeltoiletten und -umkleiden hier eine Möglichkeit sein.

Das bedeutet aber leider nicht, dass alle es sofort einsehen und entsprechend handeln. Und ab und zu gibt es auch juristische Hürden. Auf Zeugnissen steht etwa der alte Name, bis er offiziell im Standesamt geändert wird. Hier sind unter Umständen also viele Gespräche auch mit den anderen Schüler*innen und Auszubildenden notwendig, um mögliche Stresssituationen zu reduzieren.

Seit einigen Jahren wandelt sich an Schulen der Umgang mit geschlechtlicher und auch sexueller Vielfalt: Einige Bundesländer überarbeiten die Richtlinien zur Sexualaufklärung oder haben das bereits getan. Neue Lehrbücher werden der Vielfalt in unserer Gesellschaft stärker gerecht. Außerdem gibt es in vielen Teilen Deutschlands Projekte, die Bildungs- und Aufklärungsworkshops anbieten, bei denen sich Schüler*innen unter anderem mit trans*, inter* und queeren Ehrenamtler*innen austauschen können. So lassen sich die Auswirkungen von Vorurteilen und Klischees wirkungsvoll auch in der Schule abbauen.

Sie können sich als Eltern auch dafür einsetzen, dass die Schule konsequent gegen Diskriminierung vorgeht. Antidiskriminierungsbeauftragte oder Beratungsstellen unterstützen Sie dabei. Wenn sich die Situation auf absehbare Zeit nicht verbessern lässt, kann ein Schulwechsel einen Neustart bieten.

Das Bild zeigt eine Jugendliche, die mit einer Ärztin spricht.

Wie können mein queeres Kind und ich uns auf Arztbesuche vorbereiten?

Ein Bereich, in dem Menschen wegen ihrer geschlechtlichen Identität oft diskriminiert werden, ist die Medizin. Und das hat unterschiedliche Gründe: Zum einen basiert sie in der Regel auf Erkenntnissen, die mit durchschnittlichen Studienteilnehmenden erhoben wurden. Was inter*, trans* und auch nicht-binäre Menschen sowie teils auch homo-, bi-, pan- und asexuelle Menschen brauchen, wird oft gar nicht erhoben oder berücksichtigt. Zum anderen fehlt vielen Ärzt*innen das Wissen – sie sind unsicher, wie sie mit queeren Patient*innen umgehen sollen. Das kann Arztbesuche zu traumatisierenden Erlebnissen machen. Wie können Sie Ihr Kind davor schützen und es stärken? Und wann ist es gut, sich zusätzlich Hilfe zu holen?

Achten Sie bei der Praxisauswahl darauf, dass das Personal auf queere Personen eingestellt ist, – schauen Sie beispielsweise auf Queermed nach, welche queerfreundlichen und sensibilisierte Ärzt*innen es bei Ihnen in der Nähe gibt. Sie können auch selbst an Praxen herantreten und sie fragen, ob sie Vielfalt berücksichtigen oder sie darauf hinweisen. Wenn Ihr Kind es möchte, können Sie oder eine andere vertraute Person es beim Arztbesuch begleiten. Überlassen Sie die Entscheidung Ihrem Kind, wie es sich am wohlsten fühlt.

Gerade wenn es um die Anpassung des Geschlechts geht, bereiten Sie den Arztbesuch auf jeden Fall mit Ihrem Kind ausführlich vor: Informieren Sie sich über das Anliegen, welche Untersuchungen dafür zu erwarten sind und notieren Sie sich, was Sie wissen möchten. Ermutigen Sie auch Ihr Kind, Fragen zu stellen, wenn etwas unklar ist. Scheuen Sie sich nicht, auch mehrfach nachzufragen. Es ist Ihr Recht, verständlich aufgeklärt zu werden. Lassen Sie sich auch die Untersuchungsergebnisse mitgeben und holen Sie bei Bedarf eine zweite Meinung ein.

Ein Vater sitzt mit seinem Kind an einem Tisch, auf dem ein Laptop steht.

Bestärken Sie Ihr Kind darin, nur Behandlungen und Untersuchungen zuzulassen, bei denen es sich wohlfühlt und sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Es kann immer Nein sagen und die Untersuchung stoppen. Auch die Entscheidung über Behandlungen muss nicht im Termin fallen. Lassen Sie Ihrem Kind und sich selbst Zeit, sich alles in Ruhe zu überlegen und zu besprechen. Falls sich Ihr Kind nicht wohlgefühlt hat, gehen Sie zu einer anderen Arztpraxis.

Was hilft gegen Queerfeindlichkeit und Ablehnung? Wo finde ich Hilfe für queere Jugendliche?

Dass Menschen ablehnend oder feindlich auf nicht heterosexuelle oder queere Personen reagieren, kommt leider immer noch vor. Ein Großteil der schwulen und lesbischen, bi-, pan- und asexuellen Menschen, aber auch der trans*, inter* und nicht-binäre Menschen mussten damit schon Erfahrungen machen. Sie reichen von Beschimpfungen und Pöbeleien bis hin zu körperlichen Übergriffen, Überfällen und sexueller Nötigung.

Wer so etwas erlebt, muss Wege finden, es zu verarbeiten. Hierzu ist es wichtig, dass die betroffene Person sich nicht alleingelassen fühlt. Sie braucht andere Menschen, denen sie sich anvertrauen kann und die sie ernstnehmen. Neben der Familie und dem Freundkreis können auch professionelle Beratungsstellen helfen. In größeren Städten gibt es sie etwa bei LGBTIQ*-Zentren oder bei lokalen Aidshilfen, die auch für Anliegen zum Coming-out und bei Diskriminierungserfahrungen ansprechbar sind.

Das Bild zeigt den Oberkörper einer Person, die frontal in die Kamera guckt.

Wer Opfer von Diskriminierung, also von Benachteiligung aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, geworden ist, kann sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder an die entsprechenden Einrichtungen der Bundesländer wenden. In eigenen Kommunen gibt es auch LGBTIQ*-Beauftragte, die weiterhelfen können. Wenn Sie oder Ihr Kind von Ärzt*innen diskriminiert wurden, können Sie den Vorfall der Ärztekammer des Bundeslandes melden. Außerdem haben immer mehr Polizeidienststellen geschulte Ansprechpersonen für Straftaten gegen queere Menschen. Gewalterfahrungen sind rechtswidrig und werden bei Polizeidienststellen aufgenommen und verfolgt.

Angebote wie in therapeutischen Settings oder Selbsthilfegruppen bringen Ihrem Kind bei, wie es gut mit Diskriminierung und Vorurteilen umgehen kann. Und auch eine Beratungsstelle in der Nähe kann Ihrem Kind helfen. Außerdem gibt es viele Anlaufstellen, die Ihr Kind unterstützen, passende Gruppen und Angebote zu finden. Das Regenbogenportal bietet hierzu eine große Übersicht für LGBTIQ*. Und auch die Telefon- und Onlineberatung von LIEBESLEBEN berät telefonisch unter (0221) 89 92 876 sowie online. Anlaufstellen in Ihrer Nähe finden Sie mit dem Beratungsstellenfinder.